Die Lindenwirtin

 

2. "Angekreidet wird hier nicht,
weil's an Kreide uns gebricht!"
lacht die Wirtin heiter,
"Hast du keinen Heller mehr
gib zum Pfand dein Ränzel her,
aber trinke nur weiter!"

3. Tauscht der Bursch sein Ränzel ein
gegen einen Krug voll Wein,
tät zum Gehen sich wenden.
Spricht die Wirtin: "Junges Blut,
hast ja Mantel, Stab und Hut -
trink und lasse dich pfänden!"

4. Da vertrank der Wanderknab
Mantel, Hut und Wanderstab,
sprach betrübt: "Ich scheide.
Fahre wohl, Du kühler Trank,
Lindenwirtin, jung und schlank,
schönste Augenweide."

 

5. Spricht zu ihm das schöne Weib:
"Hast ja noch ein Herz im Leib!
Laß es hier zum Pfande."
Was geschah, ich tu's euch kund:
Auf der Wirtin rotem Mund
heiß ein anderer brannte.

6. Der dies neue Lied erdacht
sang's in einer Sommernacht
lustig in die Winde -
vor ihm stand ein volles Glas,
neben ihm Frau Wirtin saß
unter der blühenden Linde.